ZUKUNFT
28.9. - 12.10.2022
Eine Veranstaltung der FILMREIHE KÖLN
Das Programm knüpft an den Themenschwerpunkt UTOPIEN an, dem sich die FILMREIHE KÖLN im Jahr 2021 gewidmet hat. Wir richten den Blick in die Zukunft und auf Themen, die wichtig sind, wichtiger werden und zukünftige Lebenswelten bestimmen können.
SOLIDARITÄT UND WIDERSTAND
Mittwoch, 28. September 2022, 19 Uhr, Lichtspiele Kalk
Wir beginnen mit Sasha Pirkers Dokumentarfilm THE FUTURE WILL NOT BE CAPITALIST, in dessen Zentrum die von dem Architekten Oscar Niemeyer entworfene Zentrale der Kommunistischen Partei Frankreichs in Paris steht. Pirkers Film handelt von den Beziehungen dieses Gebäudes und seiner futuristischen Qualitäten zur Gegenwart politischer Projekte, ökonomischer Realitäten und ästhetischer Einstellungen. Fernanda Pessoa erzählt in SOLIDARIEDADE von den Protesten gegen das Regime von Jair Bolsonaro in Brasilien. Im Mittelpunkt stehen die Proteste in den Straßen, die 2021 trotz der grassierenden Corona-Pandemie stattfanden. Der Film ist nicht nur angesichts der wenige Tage nach unserem Screening anstehenden Präsidentschaftswahl in Brasilien, bei der sich entscheidet, ob der Rechtspopulist im Amt bleibt, ein wichtiges Zeitdokument. Der zwei Jahre nach Besetzung der Krim in Kiew gedrehte Zweiminüter DEDICATED TO THE YOUTH OF THE WORLD ist eine kurze Meditation über Jugend und Geschichte, in der der Krieg gleichsam spürbar wird. Das Musikvideo zu dem Track THE DARKNESS THAT YOU FEAR stammt aus dem gleichnamigen Album der CHEMICAL BROTHERS, das 2021 veröffentlicht wurde. Der Regisseur Ruffmercy äußerte sich zu dem Lied, dass es in ihm sehr positive Gefühle, aber auch Nostalgie ausgelöst habe. Filmisch kombiniert er im Video Archivaufnahmen von Raves aus den 1990er Jahren mit handgemalten Super-8-Filmtexturen und handgezeichneten Animationen. EN-COUNTERING CYBERFEMINISM von Malin Kuht blickt auf die documenta X in Kassel im Jahr 1997 zurück, in deren Rahmen die erste Cyberfeministische Internationale stattfand und ein Manifest mit 100 Antithesen formuliert wurde, was Cyberfeminismus nicht sei – mit fast 25 Jahren Abstand werden weitere Fragen zu Emanzipation und technologischem Fortschritt gestellt.
THE FUTURE WILL NOT BE CAPITALIST, Sasha Pirker, 2010, 19 Min.
SOLIDARIEDADE, Fernanda Pessoa, 2022, 8 Min. (Archiv der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen)
DEDICATED TO THE YOUTH OF THE WORLD, Yarema Malashchuk/Roman Himey, 2016, 2 Min.
THE DARKNESS THAT YOU FEAR (THE CHEMICAL BROTHERS), RUFFMERCY, 2021, 4 Min.
EN-COUNTERING CYBERFEMINISM, Malin Kuht, 2021, 30 Min.
VIRTUALITÄT UND DEKOLONIALISIERUNG
Mittwoch, 5. Oktober 2022, 19 Uhr, Lichtspiele Kalk
Wir blicken auf Virtualität und Dekolonialisierung als Eroberung oder Rückeroberung von Welten. Die Filme umkreisen Virtualität als Möglichkeit, neue, zukünftige Welten zu schaffen und Dekolonialisierung als Strategie, Räume zurückzugewinnen. Virtualität haftet seit jeher ein Verweis auf Zukünftiges an. Schon lange existiert das Versprechen, dass Menschen sich irgendwann wie selbstverständlich in virtuellen Realitäten bewegen. Immer wieder gibt es Anlässe, die das Thema in den Vordergrund bringen. Zuletzt war es zum Beispiel das Metaverse, das der Facebook-Konzern Meta mit aller Marketing-Macht zu etablieren versucht. Wir beginnen das Programm mit einem Rückblick auf eines der größten bisherigen Projekte der Erschaffung einer virtuellen Welt: Second Life. Die Künstlerin Annie Berman begibt sich in UTOPIA 1.0: POST-NEO-FUTURIST-CAPITALISM IN 3D! in die virtuelle Realität und untersucht, was von den früheren Utopien geblieben ist. Im Anschluss zeigen wir mit IM GELBEN LICHT ein schönes Beispiel dafür, wie mit einfachen Mitteln – der Software Blender – Realität simuliert werden kann. Wir bleiben bei der Simulation des Natürlichen. OUR ARK ist ein Essay über Bemühungen, die Welt und ihre Lebewesen zu replizieren und im Angesicht des ökologischen Kollaps zumindest virtuell zu bewahren. YURVAL geht weiter in die Zukunft und präsentiert ein Szenario, in dem sich der Mensch weiterentwickelt hat und nach neuen Lebensräumen sucht. Hier drängen sich Fragen danach auf, ob die Geschichte sich wiederholt; ob die kolonialistische Ausbeutung auch in der Zukunft und im Weltall mit all ihrem Schrecken fortgeführt wird. Bei der Erschaffung, Eroberung und Besiedlung neuer Welten geht es auch hier leider wieder hauptsächlich um Macht und kapitalistische Verwertung. Das Metaverse oder die Space-Projekte der Superreichen Elon Musk oder Jeffrey Bezos oder die Mars-Expeditionen der reichsten Staaten werden nicht geplant, um altruistisch der Menschheit zu dienen. Dem steuern die letzten drei Filme entgegen, mit denen wir den Fokus auf die Dekolonialisierung richten. In PLANETARY PERSONHOOD geht es um die Rechte des Mars und die Dekolonialisierung des Weltalls. In RECLAMATION sehen wir ein Kanada nach dem Exodus eines Großteils der Weltbevölkerung von der Erde. Die indigene Bevölkerung erobert das Land zurück und beginnt mit der Renaturierung. Zum Abschluss schauen wir mit THE DOOR OF RETURN aus der Zukunft zurück auf die heutige Zeit, in der der Rassismus, der im Zuge des Kolonialismus erschaffen wurde, noch grassiert. “Noch” ist hier im utopischen Sinne gemeint. In einer besseren Zukunft ist er bewältigt und Vergangenheit.
UTOPIA 1.0: POST-NEO-FUTURIST-CAPITALISM IN 3D!, Annie Berman, 2015, 21 Min.
IM GELBEN LICHT, Simon Rupieper, 2020, 7 Min. (Archiv der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen)
OUR ARK, Deniz Tortum/Kathryn Hamilton, 2021, 13 Min.
YURVAL, Valentina Knežević, 2021, 9 Min.
PLANETARY PERSONHOOD, Nonhuman Nonsense, 2020, 4 Min.
RECLAMATION, TJ Cuthand, 2018, 13 Min.
THE DOOR OF RETURN, Kokutekeleza Musebeni/Anna Zhukovets, 2021, 30 Min.
KOMMUNIKATION UND ÖKOLOGIE
Mittwoch, 12. Oktober 2022, 19 Uhr, Lichtspiele Kalk
Inwiefern sind Kommunikation und Ökologie in einer noch unbekannten Zukunft miteinander verbunden? Kann ein Virus kommunizieren? Wo wären wir ohne Internet oder Wasser auf unserem Planeten? Wir tauchen ein in vergangene und zukünftige Experimente mit Ökosystemen, reisen durch Zeit und Raum und werden von Außerirdischen kontaktiert. In Mike Holbooms Kurzfilm SKINNED legt ein schreckliches Virus das Internet lahm und die Menschen blicken nach dem Desaster auf die Folgen. Fünf Personen melden sich mit persönlichen Erinnerungen zu Wort: nachdenklich, ungläubig, trauernd, philosophisch. „Früher hatten wir Filmstars und berühmte Musiker. Jetzt haben wir uns gegenseitig“, so eines der Statements. Beeindruckt von der Beobachtung der Auswirkungen eines mächtigen Virus auf das menschliche Leben und die Kultur stellten sich die beiden Künstler Manu Luksch und Scott Kildall in CONTAGIOUS WHISPER eine Zukunft vor, in der solche viralen Kräfte als Kommunikationsmittel der „Informationsinfektion" genutzt werden. Ihr Film entwirft ein „Virales Kommunikationsnetz", das die Menschen vereint und sie befähigt, ein kollektives Leben wieder aufzubauen, das durch den unregulierten Kapitalismus (in dem Gewinne privat und Verluste öffentlich sind) verwüstet wurde. YKSI KAKSI KOLME (finn.: EINS ZWEI DREI) ist ein lustiger Super-8-Ritt durch die Zeit, auf dem Dagie Brundert ihrem zukünftigen Ich, Dagie Nr. 2, eine Nachricht zukommen lassen will. Dagie Brundert arbeitet seit 1987 ausschließlich mit einer Nizo Super 8-Schmalfilmkamera, mit der sie zahlreiche experimentelle Filme unterschiedlicher Länge schuf. Ihre Filme entwickelt sie in Substanzen wie Caffenol, Seetang, Rotwein, Bier, Erdbeeren oder Holunderblüten. 1994 gründete sie das Filmemacherinnen-Kollektiv „Freie Berliner Ischen“ (FBI), mit dem sie bis 1997 Super-8 Film-Shows veranstaltete.Der Film EXTRA-TERRESTRIAL ECOLOGIES (RETROFLECTORS: THE ASTRONAUT, THE ROBOT, THE ALIEN) von Ralo Mayer besteht aus Found Footage, biografischen Elementen, dokumentarischem Material aus der Biosphäre 2 und verwandten Experimenten, aus KI-generierten Bildern sowie unzähligen anderen Quellen. „Nach zehn Jahren Forschung über die Biosphäre 2 traf ich E.T. und wir diskutierten Haraway in einem Redwood Forest“, berichtet der Filmemacher. Der Film endet mit dem Appell, den Weltraum zu dekolonisieren. Mit EL MAÑANA ES UN PALACIO DE AGUA von Juanita Onzaga kehren wir noch einmal zum Medium Super-8 zurück: Der Kurzfilm ist eine schwindelerregende visuelle Reise, die von der Regisseurin als ein Werk des „Ahnenfuturismus" beschrieben wird. Er nimmt die Perspektive der letzten Frau auf der Erde ein, die den bezeichnenden Namen Sybille trägt und auf einem Planeten lebt, auf dem es kein Wasser mehr gibt. Sybille versucht, mit dem Geist des Wassers zu kommunizieren, Träger und Übermittler eines universalen Gedächtnisses, das das menschliche Erinnerungsvermögen übersteigt. Auf Super 8 gedreht, findet dieser sensorische Trip eine flüssige Form, um das Ende von TOMORROW IS A WATER PALACE zu beschreiben. Wir schließen den Abend mit dem Kurzfilm THE END OF SUFFERING (A PROPOSAL) der griechischen Experimentalfilmerin Jacqueline Lentzou: Nachdem Sofia in einem Zug eine Panikattacke erleidet, wird sie vom Universum kontaktiert, woraufhin in einer „Planetensymphonie“ ein kosmischer Dialog entsteht.
SKINNED, Mike Hoolboom, 2021, 9 Min.
CONTAGIOUS WHISPER, Manu Luksch/Scott Kildall, 2020, 9 Min.
YKSI KAKSI KOLME, Dagie Brundert, 2020, 3 Min.
EXTRA-TERRESTRIAL ECOLOGIES (RETROFLECTORS: THE ASTRONAUT, THE ROBOT, THE ALIEN), Ralo Mayer, 2018, 43 Min.
EL MAÑANA ES UN PALACIO DE AGUA, Juanita Onzaga, 2022, 15 Min.
THE END OF SUFFERING (A PROPOSAL), Jacqueline Lentzou, 2020, 14 Min.
Veranstaltungsort: Lichtspiele Kalk, Kalk-Mülheimer-Straße 130-132, 51103 Köln
Eintritt: 9 Euro / ermäßigt: 6-8 Euro
FILMREIHE KÖLN UND VIDEONALE BONN PRÄSENTIEREN IM RAHMEN DER KÖLNER KINO NÄCHTE
Donnerstag, 30. Juni 2022, 20 Uhr, Filmforum NRW
BIRDS OF MY WEAKNESS, Úna Quigley, 2018, 9 Min.
Inspiriert von Guillaume Apollinaires Les Mamelles de Tiresias (Die Brüste des Tiresias [1917]), einem surrealistischen Drama mit feministischen und pazifistischen Elementen, beschreibt BIRDS OF MY WEAKNESS in einer performativen Dramaturgie die Geschichte des Emanzipationsprozesses einer Frau in einer von Männern dominierten Gesellschaft.
DIE PRAXIS DER LIEBE, VALIE EXPORT, 1984-85, 90 Min.
Die Journalistin Judith wird mit dem männlich dominierten Machtapparat in den Medien und der Politik konfrontiert: Ihre Recherchen werden nicht veröffentlicht und bleiben nur für sie selbst und ihr Privatleben relevant. VALIE EXPORTs dritter Langfilm ist nicht-linear erzählt, seine Handlung spinnt sich lose um den Kern eines Kriminalfalls. Die Fäden laufen in der mit Tonbandgeräten und Bildschirmen ausgestatteten Wohnung von Judith zusammen. Private und berufliche Verbindungen queren sich im Liebesdreieck von Judith und ihren beiden Liebhabern Alfons und Josef.
Eintritt: 8 Euro / ermäßigt: 7 Euro
Kurator*innen: Lisa Bosbach, Dominik Bühler und Corinna Kühn
Gefördert durch: