Fakt & Fiktion
Das Interview als künstlerische Praxis
1. - 28.6.2011
Eine Veranstaltung der Filmreihe Köln
In unterschiedlichsten ästhetischen Zusammenhängen haben sich Künstler*innen die Gesprächstechnik des Interviews angeeignet – um den Strategien, Wirkungen und dem Macht- und Konstruktionspotential der Praxis des Befragens nachzugehen.
Die Inszenierung der eigenen Person ist Teil des künstlerischen Schaffens, dass Interviews sich dazu besonders gut eignen, zeigen die Beiträge des Abends »Die Kunst der Selbstdarstellung«. Diese Sensibilität des Interviews für manipulative Eingriffe wird auch in den Arbeiten zur »Identitätsverschiebung im skandinavischen Film« deutlich. Das präsentierte Selbst ist dabei auch Ergebnis einer medialen Gesprächskultur; dies thematisieren die Fernsehbeiträge des Abends »Look who‘s talking – Interview und TV«. In den künstlerischen Arbeiten des Programms »Erzählte Geschichten« wird das Potential der Gesprächspartner*in als »historische Berichterstatter« ausgelotet.
Das Changieren zwischen Fakt und Fiktion, zwischen vermeintlich objektiven und subjektiven Kontexten, wird dabei zum bedeutenden Ausgangspunkt. Die diesjährige Filmreihe endet mit einer eigens für diesen Anlass konzipierten Live-Performance von und mit der Künstlerin Miriam Bäckström.
Die Kunst der Selbstdarstellung
Mittwoch 1. Juni 2011, 19.30 uhr, Filmclub 813
Im Künstlerinterview kommt es oftmals zu einer paradoxen Situation: entgegengesetzt der Intention des Interviewers, etwas über die ‚Natur‘ des Künstler/der Künstlerin zu erfahren, setzt der Befragte das Interview auf unterschiedliche Art und Weise für die Inszenierung seiner Person ein. Joseph Beuys, Gilbert & George und Jonathan Meese nutzen das Interview, um sich selbst in Szene zu setzen und an der Stilisierung ihrer Person mitzuwirken. Andrea Fraser versucht durch gezielte Anweisungen die Interview-Situation zu steuern, Dellbrügge und DeMoll entlarven die Talkshow als hohles Gerede.
Andrea Fraser im Gespräch mit Christian Philipp Müller, Andrea Fraser, 1992, 17 Min.
Gilbert & George im Gespräch mit Wolf Jahn, Gilbert & George, 1992, 21 Min.
Berta spricht mit Jonathan Meese, Jonathan Meese, 2009, 4:10 Min.
Video-Theorie-Interview, Dellbrügge und DeMoll, 2:30 Min.
Video Portrait of Hans-Ulrich Obrist, Marina Abramović, 2010, 5:53 Min.
Beuys in Amerika, Joseph Beuys, 1974, 59:03 Min.
Identitätsverschiebung im skandinavischen Film
Dienstag 7. Juni 2011, 19.30 Uhr, Filmclub 813
Assoziiert mit Begriffen wie Authentizität und Wahrhaftigkeit bietet sich das Interview für eine scheinbar unverfälschte Darstellung von Personen an. Die Arbeiten von Miriam Bäckström, Saskia Holmkvist und Jennifer Sameland zeigen jedoch, wie mit einfachen Mitteln der psychologischen als auch schauspielerischen Suggestion Identitäten auf verstörende Weise verschoben werden können. Dass auch gesellschaftliche, soziologische Bedingungen zur Modifikation der eigenen Identität führen können, veranschaulicht des Weiteren Ryan Tebos Arbeit.
Thomas und Ulla, Jennifer Sameland, 2011, 8:55 Min.
Interview mit Saskia Holmkvist, Saskia Holmkvist, 2005, 8:40 Min.
Rebecka, Miriam Bäckström, 2004, 42 Min.
The Well-Meaning Exile, Ryan Tebo, 2011, 18:86 Min.
The Beauty of Powerful Argumentation, Peter Land/Jeannette Land Schou, 2005, 1:32 Min.
Look Who's Talking – Interview und TV
Dienstag 14. Juni 2011, 19.30 Uhr, Filmclub 813
Der Abend nähert sich dem Thema Gespräch vor dem Hintergrund der „talk show“ als Paradigma von Kommunikation – zwischen demokratischer Totalöffentlichkeit und Intimität, Affekt produzierend wie Identität stiftend. Denn in einer medialen Darstellung zwischen Beichte und Therapie scheint sich heute ein allgemeines Narrativ zur Erfahrung des Selbst aufzutun. Wir zeigen Interviews, die diese besondere Gesprächsästhetik darstellen, konterkarieren oder einfach ad absurdum führen; auch um letzten Endes zu bestätigen: Interview loves television, because it is narcissistic.
Episode, Kerry Tribe, 2006, 30 Min.
Electronic Diary (Auszug), Lynn Hershman Leeson, ab 1986, ca. 15 Min.
Comizi d’amore (Auszug), Pier Paolo Pasolini, 1965, ca. 20 Min.
Oprah (Auszüge), Oprah Winfrey, ab 1986, ca. 15 Min.
Erzählte Geschichten
Dienstag, 21. Juni 2011, 19.30 Uhr, Filmclub 813
Im Sinne einer Oral History nutzen die ausgewählten Filme das Interview, um der Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Mittels der Befragung von Zeitzeug*innen werden nicht nur gesellschaftliche, kulturelle oder politische Ereignisse vergegenwärtigt, ebenso wird die Medialität ihrer Tradierung thematisiert. Ausgehend von subjektiven Erzählungen reflektieren die Filme von Renée Green, Anna Jermolaewa und Deimantas Narkevi!ius die Verknüpfung von individuellen und kollektiven Erinnerungen, ihr Oszillieren zwischen Fakt und Fiktion sowie ihre Interpretierbarkeit.
Some Chance Operations – Synopsis, Renée Green, 1999, 37:00 Min.
Kremlin Doppelgänger, Anna Jermolaewa, 2009, 21:00 Min.
A Role of a Lifetime, Deimantas Narkevičius, 2003, 16:50 Min. (Courtesy Barbara Weiss, Berlin)
WHO AM I? PerFormance von Miriam Bäckström
Mittwoch, 28. Juli 2011, 19.30 Uhr, Filmclub 813
Die Thematiken der Reihe zusammenfassend und das Interview als künstlerische Praxis in einer Live-Performance umsetzend, wird Miriam Bäckström die Reihe abschließen. Die von ihr gestaltete Inszenierung wird sich sowohl den Fragen der Selbst- und Fremddarstellung widmen als auch das Konstruktionspotential der Gesprächssituation voll ausschöpfen. In einer inszenierten Interview/Talkshow-Szenerie wird es zu einem Frage-Antwort-Spiel zwischen einer Gruppe von willkürlich gewählten Personen kommen. Die qua Manuskript vorgegebenen und dadurch inszenierten Alltagsgespräche werden ein Ausbrechen aus den angedachten Rollen geradezu provozieren, vielleicht aber auch ein ganz unerwartetes Verhalten der teilnehmenden Personen auslösen.
Veranstaltungsort: Filmclub 813 e.V., Kino 813 in der BRÜCKE, Hahnenstraße 6, 50667 Köln
Eintritt: 5,00 Euro / ermäßigt: 2,50 Euro
Redaktion: Lisa Bosbach, Lars Fleischmann, Jee-Hae Kim, Corinna Kühn, Selma Lampart, Miriam Lowack, Sally Müller, Baptist Ohrtmann, Julia Sprügel, Stefanie Zobel
Gefördert von der Fachschaft Kunstgeschichte und: