DIE ERFINDUNG VON GESCHICHTE(N)
individuelle und kollektive Mythologien im film
14.6. - 2.7.2018
Eine Veranstaltung der FILMREIHE KÖLN
Die diesjährige Filmreihe widmet sich der Erfindung von Geschichte(n) und verfolgt dabei die Konstruktion und Dekonstruktion individueller und kollektiver Mythologien im Film. Beginnend mit einer Performance der Künstlerin Dieuwke Boersma im Filmforum befragt die Reihe kuratierter Kurzfilmabende in vier Sequenzen die Entwicklung neuer Formen von Bewusst-Sein, die narrative Konzeption von Lebens- und Zukunftsentwürfen, das Erschaffen und Festhalten an und das Ablösen von sozialen Realitäten sowie die Erfindung von Wirklichkeiten, welche in multiple Wahrheiten münden oder aus ihnen hervorgehen.
Die Abende gehen den Fragen nach: Können wir ‚tentakulär denken‘? Welche Erzählungen helfen uns, für uns lebbare soziale Realitäten zu schaffen und uns dann auch wieder von ihnen zu lösen? Wer herrscht über das Schreiben von Geschichte(n) und welche Ökonomien gehen damit einher? Darüber hinaus spürt die Filmreihe der Zärtlichkeit nach, aus der die Lebensentwürfe vielfach resultieren oder die ihnen innewohnt, und beleuchtet die Fragilität individueller und kollektiver Narrative.
TENTACULAR THINKING
DOnnerstag, 14. JUNI 2018, 19 UHR, FILMFORUM NRW
Auf Einladung der Filmreihe Köln führt die Künstlerin Dieuwke Boersma ihre Performance „Sanatorium Octopussy – Conceiving a Tentacular Consciousness“ auf, die sie eigens für diesen Anlass erarbeitet hat. Ausgehend von der Erfahrung, in Folge eines schweren Verkehrsunfalls das Gehen neu erlernt zu haben, entwickelt die Künstlerin das Konzept ihrer Beine als tentakuläres Bewusstsein. Die Performance erforscht die Intelligenz der Beine, die sich, wie die Tentakel des wirbellosen Oktopusses, unabhängig vom Gehirn bewegen können. Darüber hinaus ermöglicht das „tentacular thinking“ (Donna Haraway) als philosophische Sichtweise einen anderen Zugriff auf die Welt. Ausgehend von der mythologischen Figur des Oktopusses werden im anschließenden Kurzfilmprogramm verschiedene Lebens- und Zukunftsentwürfe aufgespannt. Arbeitsmigration, Verdrängung aus Lebensräumen und Stigmatisierungen kollidieren dabei mit den bisweilen utopischen und idealisierten Vorstellungen der Protagonist*innen. Außerdem wird die menschliche Sehnsucht nach etwas, das jenseits des Erklärbaren liegt, beleuchtet.
Die Performance wird gefördert von der Kunststiftung NRW.
SANATORIUM OCTOPUSSY - CONCEIVING A TENTACULAR CONSCIOUSNESS, Dieuwke Boersma, 2018, 30 Min.
OH BROTHER OCTOPUS, Florian Kunert, 2017, 27 Min. (eine Produktion der KHM Köln)
LA PARTE DELL’ANGELO, Carl Henrik Svenstedt, 2009, 13 Min.
LIVING A BEAUTIFUL LIFE, Corinna Schnitt, 2003, 13 Min.
SOZIALE REALITÄTEN
MOntag, 18. JUNI 2018, 20 UHR, Filmpalette
Die Filme des Abends kreisen um das Thema soziale Realitäten. In den beiden Kurzfilmen „(to) conceive“ und „MAN“ werden wir mit unseren eigenen Vorstellungen von Geschlechterrollen konfrontiert. Die Körper der Protagonist*innen dienen dabei als Projektionsfläche und (de)konstruieren performativ männliche und weibliche Identität. In „Ano Branco“ schließlich wird in einem Zukunftsszenario die Geschlechterbinarität überwunden, jeder Mensch soll sich nun selbst aktiv für sein Geschlecht entscheiden können. In „The Send-Off“ wird die Prom Night gefeiert. Bei ärmlichen Lebensverhältnissen in Pahokee (USA, Florida) scheuen die stolzen Eltern keine Kosten, damit sich die Absolvent*innen für diese eine Nacht glamourös in Szene setzen können. Ausgehend von biografischem Material macht sich Antje Engelmann in ihrem Film selbst zum Objekt ihrer Untersuchung von Erinnerung und Selbstkonstruktion und schafft dadurch als Erzählerin neue Sinnzusammenhänge.
(TO) CONCEIVE, Arootin Mirzakhani, 2017, 10 Min.
MAN, Maja Borg, 2016, 12 Min.
ANO BRANCO, Luiz Roque, 2013, 7 Min.
THE SEND-OFF, Ivete Lucas/Patrick Bresnan, 2016, 13 Min.
EINE ANLEITUNG, UM DIE VERGANGENHEIT ZU ÄNDERN, Antje Engelmann, 2011, 40 Min.
MULTIPLE WAHRHEITEN
MOntag, 25. JUNI 2018, 20 UHR, Filmpalette
Der Filmabend befasst sich mit multiplen Wahrheiten und der Erfindung von Wirklichkeit(en). Die beiden Kurzfilme „Irrtümer – Fremde Zivilisationen“ und „L’Objet“ werfen einen amüsierten Blick auf die verschiedenen Möglichkeiten, wie Informationen über menschliche Zivilisationen von Wissenschaftler*innen anderer Welten und Archäolog*innen der Zukunft interpretiert werden können. In „Political Extras“ demonstrieren bezahlte Teilnehmer*innen für und gegen die Moskau Biennale. Mit dem Verkauf ihres politischen Körpers werden die Demonstrant*innen zu bloßen Symbolen gekaufter Medienmanipulation unter dem Deckmantel einer demokratischen Form des Protests. Der Künstler Endre Tót hinterfragt seit den 1980er Jahren mit seinen „Zero Demos“ die Praktik des Demonstrierens als Protestinstrument und macht subtil auf die Austauschbarkeit von Ideologien aufmerksam. „The Committee“ führt nationale Identifikationen ad absurdum. Große politische Ambitionen sind am Ende kaum zeig- und sichtbar. „Invention of Trust“ handelt von den Gefahren, die die sozialen Medien mit sich bringen. Der Protagonist wird mit der öffentlichen Freigabe seiner privaten digitalen Daten erpresst.
IRRTÜMER – FREMDE ZIVILISATIONEN, Franz Winzentsen, 1999, 3 Min.
L’OBJET, Jacques Louis Nyst, 1974, 12 Min.
POLITICAL EXTRAS, Anna Jermolaewa, 2015, 23 Min.
ZERO DEMO (OXFORD), Endre Tót, 1991, 5 Min.
THE COMMITTEE, Jenni Toivoniemi/Gunhild Enger, 2016, 14 Min.
INVENTION OF TRUST, Alex Schaad, 2016, 29 Min.
ZÄRTLICHKEIT & ZERBRECHLICHKEIT
MOntag, 2. JULI 2018, 20 UHR, FILMPALETTE
Corinna Schnitts Kurzfilm „Raus aus seinen Kleidern“ ist eine ironische Beobachtung des bürgerlichen Alltagslebens auf der Grenze zwischen Dokumentarischem und Fiktivem. Die Protagonistin führt aus dem Off einen obsessiven Monolog darüber, wie die Dinge sein sollten. Eine makellose Pflege ihrer Kleidung scheint dabei wesentlich zu sein, um ihre Identität zu begründen. Sie klingt fast philosophisch, wenn sie argumentiert, dass ein Wäschetrockner die Ursache und das Symbol für Chaos und Unbehagen in der Welt ist. In ihren ersten Spielfilm „Unsichtbare Gegner“ integriert VALIE EXPORT ihr visuelles künstlerisches Repertoire wie Fotografie, Performance und Video in die Narration. Die Protagonistin erwacht eines Morgens und hört im Radio die Warnung, dass unsichtbare fremde Mächte im Begriff sind, die Erde in Besitz zu nehmen. Sie sieht sich zunehmend in einem Spannungsverhältnis zwischen innerer Wahrnehmung und äußerer Wirklichkeit. Dabei treten auch Hierarchien und Konflikte zwischen den Geschlechtern und Generationen zutage.
RAUS AUS SEINEN KLEIDERN, Corinna Schnitt, 1999, 8 Min.
UNSICHTBARE GEGNER, VALIE EXPORT, 1977, 110 Min.
Veranstaltungsorte:
Filmforum NRW im Museum Ludwig, Bischofsgartenstr. 1, 50667 Köln
Filmpalette, Lübecker Str. 15, 50668 Köln
Eintritt: 7 Euro / Ermäßigt: 6 Euro
KuratorInnen: Lisa Bosbach, Corinna Kühn
Mitarbeit Filmrecherche: Dominik Bühler
Gefördert durch: